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Photographs taken by the Apes of London Zoo, 1992
(The Apes were provided with cameras part of a Telegraph Magazine picture story 1992)


Konzeptuelle Fotografie, Otto Mittmannsgruber, VU 2.5 ects


Der "multiversale" urbane Raum in der Fotografie

Wie vielfältig urbane Räume in der Fotografie vermittelt werden, vermittelt sich durch einen Blick auf einige Entwicklungsstränge des Architekturbildes. Stehen in den ersten Jahrzehnten der Fotografie noch repräsentative Haltungen im Vordergrund, die von der Malerei oder auch der Landschaftsfotografie übernommen werden, so können allmählich die Abbildungseigenschaften des technischen Mediums ausgeschöpft und die Inhalte weiter diversifiziert werden. Bleiben in den typologischen Bilderzyklen des alten Paris, die Eugène Atget durch Langzeitbelichtungen anfertigt, dessen Bewohner noch ausgeblendet, gelangen in den spontanen Fotografien von Heinrich Zille in Berlin Handwerker, Holzsammlerinnen und PassantInnen ins Bild. Es ist auch Zille, der in den 80er Jahren des vorletzten Jahrhunderts die am Rande von Charlottenburg liegenden Müllhalden erkundet und in seriellen Multi-Panoramen verewigt. Mit der sozialdokumentarischen Fotografie eröffnet sich in den Städten ein weiteres Beobachtungssegment, dessen Eckpunkte Mensch, gebaute Umwelt, Industrialisierung und technischer Fortschritt einen Themenreigen formulieren, worin das Gefälle zwischen Gewinnern und Verlierern dieser Umwälzungen bis heute fort gespiegelt wird.

Ebenso ist die als Street Photography apostrophierte Bewegung ab den 1950er Jahren daran beteiligt, dem bis dahin museal akklamierten Gemäldefoto einen gewichtigen Konterpart entgegen zu stellen. Es enstehen nun Bilder, worin die flüchtigen Momente des Alltagslebens gerinnen. In diesem Umfeld entwickelt auch Diane Arbus ihr Werk, worin in Anlehnung an August Sander der soziale Rand ins Zentrum rückt. In der Art und Weise, wie sie Dokumentarisches mit fotografischer Konstruktion verschmilzt, nimmt sie womöglich die Fotografengeneration der 80er und 90er Jahre vorweg, die in Hollywoodmanier die Abgründe hinter den geglätteten Oberflächen des Urbanen aufspürt. Einen medienkritischen Ansatz verfolgten die konzeptuellen FotografInnen, die ab den 60er Jahren vor allem mit mehrteiligen Bildwerken ungewöhnliche Wahrnehmungskonzepte in die Fotodisziplin einschleusen. Mittels Serien, Sequenzen, Bildtafeln, Zeit- und Raumpanoramen, Multipanelen und komplexen Präsentationsformen wird das verengte Raum-Zeit Kontinuum der Fotografie aufgesprengt und auch Architekturfotografie in ganz andere Dimensionen der Wahrnehmung verfrachtet. Weil die Proponenten dieser Bewegung zumeist keine professionellen FotografInnen sind, gelingt es umso leichter, die Dogmen der Fotografie zu hinterfragen und Transdisziplinarität im Medium zu etablieren.

Die Frage nach der Hybridität eines Raumes, wie sie dieses Semester gestellt wird, ist aus der fotografischen Perspektive primär eine nach den Qualitäten eines Raumes. Mit welchen Bild-Mitteln können die unterschiedlichen Sphären (Gebautes, Verkehr, Kommerz, Nutzer, Passanten, etc.) aufgeschlüsselt werden? Welche Gegensätze, die sich auf den ersten Blick nicht vermitteln, birgt der Ort in sich? Kann es gelingen, das Bekannte in neue Bilder zu kleiden, und dadurch die Wahrnehmung des Raumes zu verändern? Wichtig scheint in der Architekturfotografie der Standpunkt: dabei ist aber nicht nur entscheidend, von "WO" aus "WOHIN" geblickt wird, sondern "WARUM" und "FÜR WEN" die Kamera erhoben wird.